Einkauf & Verkauf: Love-Hate-Relationship

Als Leser möchte man meinen, dass der Einkäufer bei mir, dem Verkäufer unbeliebt wäre. Tatsächlich handelt es sich hierbei aber um eine klassische Love-Hate-Relationship, denn was wäre ich ohne den Einkauf, ohne den Gegenpol? Tom ohne Jerry, Bud Spencer ohne Terence Hill oder Laurel ohne Hardy. Wie in jeder Beziehung gibt es verschiedene Phasen, die ein Wechselspiel der Gefühle darstellen. Je nach Phase ist mindestens einer der Beiden unbeliebt, um die jeweiligen Eigeninteressen zu schützen. Aber egal wie schwierig der Prozess manchmal ist, das gemeinsame Ziel ist es, einen Vertrag abzuschliessen. Im folgenden Blog gehe ich etwas auf die Phasen und deren Gründe für die Gefühlsachterbahn ein:

Der initiale Kontakt durch den Einkäufer

Welcher Verkäufer freut sich nicht über den initialen Kontakt eines Interessenten? Aber heisst das vielleicht, dass ein anderer Dienstleister bereits bei der Anforderungsdefinition mit im Boot war, ich somit nur geringe Chancen habe und ich möglicherweise nur proforma angefragt werde, um die Vergabe an den gesetzten Haus- und Hof-Lieferanten zu rechtfertigen? Diese Frage bleibt zu Beginn oft unbeantwortet, wird aber meist im weiteren Prozess klar.

Die Qualifikation der Anfrage durch den Verkäufer

Auf Basis der Informationen über das Projekt, den Entscheider und die Auswahlkriterien, entwickelt sich das Bauchgefühl des Verkäufers und somit der Beschluss über die Teilnahme. Je nach Organisationsstruktur wird der Bid-/No-Bid-Entscheid vom Verkaufsleiter getroffen. Der Einkäufer dagegen versucht in diesem Fall für das Projekt wichtige Fragen zu beantworten, wägt allerdings auch ab, welche Informationen er gezielt zurückhält, um nicht die Verhandlungsposition zu schwächen. Dieser Prozess ist eine Gratwanderung, da zu wenig Informationen vom Einkäufer unter Umständen zu einem negativen Entscheid über die Teilnahme führen könnte. Je nach Beschaffungsprozess des Interessenten ist es erlaubt oder untersagt, die fachlichen Ansprechpartner des Projektes zu kontaktieren. Unsere Erfahrung zeigt, dass durch den Kontakt die Erwartungen besser qualifiziert werden können. Dies führt zu tieferem Verständnis und als Folge zu einer Offerte mit höherer Gewinnchance.

Offertphase durch den Verkäufer

Nachdem Rahmenbedingungen, wie z.B. Werkvertrag mit festgehaltenen Spezifikationen, agiles Vorgehen mit Time & Material etc. geklärt wurden, beginnt der Offertprozess. In vielen Fällen ist der Abgabetermin sehr sportlich und die Chance für Rückfragen nicht gegeben. Oft frage ich mich, wer das Angebot am Freitagabend oder Samstagvormittag liest, wenn der Abgabetermin in den Unterlagen auf Freitag um 17.00 Uhr datiert ist? Ausserdem sind die sportlichen Abgabetermine oft nur zu erreichen, wenn involvierte Spezialisten Überstunden leisten oder extra für Offertphasen eingesetzt werden. Natürlich sind wir auch mitverantwortlich, da bei uns der Spezialist in der Offertphase involviert sein muss, wenn er später an der Umsetzung beteiligt ist. Nur dadurch können wir Fehleinschätzungen verhindern.

Verhandlungsphase durch den Einkäufer

Nun kommen wir zum Kernstück des Wechselspiels. Haben wir die Erwartungen hinsichtlich der gewünschten Lösung und dem Projektvolumen (Kosten) erfüllt, vielleicht auch ohne mit dem fachlichen Ansprechpartner gesprochen zu haben? Wurde die Schweizer Armbanduhr oder der Deutsche Porsche angeboten, trotz Wunsch nach einer günstigen CASIO oder einem Toyota? Oder wurde ein Porsche gewünscht, allerdings mit der Erwartung, dass dieser nur so viel wie der Toyota kostet? Viele Fragen auf die im Vorfeld nicht immer die Antwort möglich ist. Hinsichtlich der Verhandlung selber ist die Art und Weise in der Schweiz auf einem hohen Niveau. Es wird hart verhandelt, dennoch wird Fairness und die Kompromissbereitschaft nicht aus den Augen verloren.

Fazit: Einkauf & Verkauf: Love-Hate-Relationship

Obwohl ich die jeweilige Verhandlungsposition nachvollziehen kann, muss die Beziehung oft als „it’s complicated“ eingestuft werden. Nicht aber wegen der Person in der Funktion des Einkäufers und Verkäufers, sondern wegen der Pflicht der Interessenvertretung. Durch die Kompromissbereitschaft in der Schweiz und am Festhalten des gemeinsamen Ziels, lassen sich durch Transparenz und Ehrlichkeit auch schwierige Verhandlungen gemeinsam für beide Seiten erfolgreich abschliessen. Dies natürlich nur, wenn die Beteiligten auch die notwendige Kompetenz neben der Verantwortung besitzen. Somit ergibt Einkauf und Verkauf auch bei uns die richtige Balance aus Yin und Yang.

 

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